“Ich fragte also ein paar Menschen / Ob sie ‘nen Witz in petto hielten /

Und diesen ohne Schamesgrenzen / Dann ihrer Kamera verrieten”

Für mein neues Video-Projekt habe ich Freunde und Bekannte gebeten, ihren Lieblingswitz direkt in die Linse ihrer Computerkamera zu erzählen, um in der Folge ein launiges (Video-)Poem zu dichten …

I asked friends and acquaintances to record their favorite joke and send it to me. Their wit and wisdom combined make up for the title. My voice over is in German as is most of the jokes I picked so please bear with me.

Mit (in alphabetischer Reihenfolge): Silke Bake, Barca Baxant, Eva Brunner, Shabnam Chamani, Robin Dingemans, Sybrig Dokter, Kike Garcia, Karin Grünewalt, Susanne Gschwendtner, Frauke Havemann, Claudia Heu, Andreas Müller, Frans Poelstra, Brigitte Schlögel, Barbara Spitz, Peter Stamer, Neal Wach, Yosi Wanunu, Frank Willens, Hannes Wurm und vielen anderen Hollywoodstars

Konzept, Regie, Schnitt, Text: Peter Stamer

Premiere am 1. Juni 2019 bei ArtSpring Berlin, AULA Ateliergemeinschaft Milchhof e.V., Schwedterstrasse 232, 10435 Berlin

Words of Witsdom

Im Anfang war ein Missverständnis / Ich brauchte Geld, man gab mir keins / Ich war enttäuscht und nahms zur Kenntnis / Doch trau ich nicht der Kraft des Neins /

Ich glaube vielmehr an das Gute / In meiner Kunst und anderswo / Also verzog ich keine Schnute / Und ging es an, bereit und froh /

Ich machte mich an jenes Kunstwerk / Und schrieb in viel zu langer Zeit /An einem Text zuhaus in Kreuzberg / Und kam ans Ende meiner Weisheit /

Also entschloss ich mich zu Reimen / Das Dichterwort kennt nur ein Ziel / Man kann den Sinn zusammenleimen / Dort wo die Endung kennt ihr Spiel /

Wenn mich der Rhythmus trägt hinfort / Zu höhern Sphär’n, Sinngeklingel / Dann freut mich das geflügelt’ Wort /Das federleicht, mir altem Schlingel /

Vor den Versfuß mir dann fällt / Und ich den Jambus dann anstimme / Auf dass in dieser dichten Welt /Der leichte Reim den Sinn bestimme /

Dennoch verstehn sich diese Zeilen / nicht einfach nur als Leichtgewicht / Im Gegenteil, man soll Verweilen / wie bei jedem anderen Gedicht /

So hätt ich’s nunmal gern, ihr Lieben / Doch halt ich nun beim Titel an / Mit „Words of Witsdom“ überschrieben / Geht dies Projekt die Weisheit an

Das Wort der Weisheit, klug erzeugt / Mit schnellem Geistesblitz gepaart / Hat manchen Menschen überzeugt / Dass Witzes’ Kraft die Gram erspart

Ich fragte dafür ein paar Menschen / Ob sie nen Witz in petto hielten / Und diesen ohne Schamesgrenzen / Dann ihrer Kamera verrieten /

Ich hatte dafür keinen Heller / Doch das hielt niemanden zurück / Zwar war der langsam, jene schneller / Am Ende aber ganz zum Glück /

Hatten sich im Eingangsfach / zwei Dutzend Witze angesammelt / Auf englisch wie auch deutscher Sprach’ / Und keiner hat nur rumgestammelt /

Nein, alle waren eloquent / Gescheit, die Worte klug zu binden / Und niemand hat den Punkt verpennt / Wo die Witze zu sich finden /

Wo ganz am Ende jener Schlag / In die Magengrube fährt / Und der Witz es so vermag / Dass sich der Hörer nicht mehr wehrt /

Dass sich der Hörer nicht mehr hält / An das sogenannt Korrekte / Dass er sich vielmehr gut gefällt / Am freien Spiel seiner Affekte /

Lakonisch sagt die eine so: / „Treffen sich zwei Jäger…“ / Man ist geneigt zu fragen: wo / Wenn nicht beim Schinkenhäger /

Die andre fragt mit einem Lächeln / Hört wohl: „Wie treiben es Igel“ / Der Kortex stockt, man spürt ein Schwächeln / In seinem Großhirnflügel /

Die Antwort liegt nicht gleich parat / Man wartet drauf, dass sie sie gibt / „Megavorsichtig“ ganz mit Format / Liefert sie dann die Replik /

‚Drei Spermien wolln in eine Bar’ / Beginnt der Witz von der Kollegin / Fixiert ganz fest die Kamera / Und schmunzelt fast, sie ist Strategin /

Sie kennt den Ausruf des Bartenders / Als an der Tür die Spermien stehn / Sich verteilend auf dem Handlauf des Geländers: /„Ich hab euch kommen sehn“ /

Verschieden sind halt die Geschmäcker / Die Gürtellinie bebt beim Zötchen / Wie wär’s nun damit: „Kommt ein Mann zum Bäcker / Und sagt: ich hätte gerne 99 Brötchen!“ /

Ein Witz für Brave, Kinder, Scheue / Geht’s hier doch nicht um Körpersäfte / Die Punchline sagt sich ohne Reue / Doch fehln mir dafür grad die Kräfte /

Denn meine Freundin fragt mich streng / „Dann wird im Film halt mal gelacht“ / Doch Witzigkeit aus der la mäng / Hat nie der Welt etwas gebracht /

Nun kann kein Witz die Erde retten / Es warten schon die Katastrophen / Zu holen uns aus unsren Betten / Da helfen keine Witzestrophen /

Und klar: ein Wasserhahn der tropft / Der wird mit Worten auch nicht dichter / Und auch ein schlecht gebrannter Topf / Hält nicht den Saft, den uns verspricht er /

Der Weltenlauf, ganz ohne Worte / Hat über uns totale Macht / Doch bin ich jemand von der Sorte /„Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ /

Trotz mancher Widrigkeit im Leben / Trotz Unbill, Angst und Dauerregen / Trotz Todeswinken feuchter Gräben / Gibt Lachen Kraft und spendet Segen /

Und daher nein, den Lauf der Sonnen / Humor allein nicht bringt zum Halt / Doch ohn Humor ist Manches schon zerronnen / Und ohn Humor werd ich nicht alt /

In dramaturgisch knappster Form / Zeigt uns der Witz seine Potenz / Er bricht Erwartung, spielt mit Norm / Und geizt doch nicht mit Opulenz /

Er legt des Sinnes Kurzschluss offen / Hinein er fährt mit scharfem Stahl / Bedeutungsfugen sind getroffen / Buchstäblichkeit hat keine Wahl /

Die News der Welt werden am Abend / In unsre Wohnzimmer gebracht / Aus Neuigkeiten und Gefahren / Mit Witz mal Anderes gemacht /

Auch hilft ein Witz in Liebesdingen  / Wo manche Balz ist fehl am Platz / Mit Witzigkeit kann es gelingen / Zu finden großen Liebesschatz /

Schaun wir auf jenen aus Saarbrücken / Der Frauen wollte tief entzücken / So ging er einst nach bairisch München / Und hofft’ auf kecke Schäferstündchen

Von Hoffnung konnte er nichts kaufen / Wie er erfuhr in Oberstaufen / Die Endstation für ihn war’s Allgäu / Dort erntet er nur schiere Abscheu /

Hätt er mit Witzen sich beschäftigt / Sich des Witzes Kraft bedient / Dann hätte er’s vollauf gekräftigt / Nachhaus geschafft, die Lust gesühnt /

Dann bliebe sie für immer da / So sitzt er denn nun ganz allein / Vertraut ganz blass der Kamera / Die Sehnsucht nach nem bessren Sein /

„Ich wollt ich wär nicht so allein / Dann fiele mir was Bessres ein / Als hier nur blöd herumzustehn / Man könnt mich einen Deppen rufen / Ich such mir jetzt zehn Treppenstufen / Wo ich dann falle statt zu gehen“ /

So lacht man oft aus Schadenfreude / Das Leiden andrer tut uns gut / Wir sind des Wahnsinns fette Beute / Die Menschheit ist unglücklich Brut /

Doch alles muss ein Ende finden / Nun geht nach Haus und lernt zu sterben / Was man im Leben kann nicht binden / Das freut am Ende dann die Erben

Bevor ich noch nen Witz verbreche / Hör ich jetzt doch besser auf / Aber eines kann ich euch versprechen: /

Hädde hädda da hädde hädde hädde hädde