Ein (Live-)Hörstück von Peter Stamer mit Astrid Endruweit

Am 30. Juli um 10 Uhr und drei Minuten fällt ein Mann in der Berliner Rochstraße aus seinem Küchenfenster im 32. Stock. Die Anziehungskraft eines ganzen Kontinents wirkt auf ihn. Die Beschleunigung nimmt zunächst aufgrund der Schwerkraft zu, um nach sieben Sekunden gegen Null zu tendieren. Leider liegen keine verlässlichen Daten über Wind und Auftrieb vor, so dass weder die Stokes- noch die Newton-Reibung berechnet werden können. Das einzige, worauf man sich verlassen kann, ist, dass er der Erde entgegen fällt. Und dass er einen Anzug trägt. Es ist nicht bekannt, ob er seine Steuererklärung gemacht hat oder ob sein Kühlschrank gefüllt ist. Mag er Fleisch? Trinkt er Alkohol? Hat er einen Organspendeausweis? Selbst, wenn er die Lottozahlen richtig getippt hätte, es wäre jetzt egal. Nichts davon ist mehr wichtig, denn er stürzt dem Waschbetonboden entgegen, über den ein paar Stunden später die Kinder aus der Nachbarschaft lärmstark ihre Bobbycars kratzen lassen. Sein Ende ist sehr nah, und nichts wird dieses Ende aufhalten. Das einzige, was nun, keine 64 Meter über dem Erdboden zählt, ist das absolute, unaufschiebbare Jetzt. Und dieses Jetzt blickt dem Mann unmittelbar in sein mittelmäßig attraktives Gesicht.

In seinem neuen Hörstück versetzt sich Peter Stamer in den Kopf eines Mannes, der sich in jeder Hinsicht im freien Fall befindet …

Text, Regie, Raum und Live-Musik: Peter Stamer / Sprecherin: Astrid Endruweit / Videodokumentation: Kasper Helml / Dauer: 42 Minuten

Uraufführung der Live-Version am Samstag, 30. Juli 2022 / Kunstreihe Unter dem Pflaster / Pavillon am Milchhof Berlin / Schwedter Straße 232 / 10435 Berlin

Ursendung der Studioproduktion am Samstag, 22. Oktober um 19.30 Uhr bei Unter dem Pflaster – reloaded in der AULA im Milchhof Berlin

@unterdempflaster

Unter dem Pflaster wird gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR.